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ZEG_Chronicle

89 9. Neuorientierung der epidemiologischen Forschung im ZEG: Frauengesundheit und Hormonnutzung Im Rahmen der seit 1981 laufenden Studien zu Herz- kreislauf-Nebenwirkungen von hormonellen Kontra- zeptiva gab es auch gute Kontakte mit den Herstellern. Das waren zunächst Jenapharm in Ostdeutschland und in der Zeit der politischen Wende auch Schering in Berlin. Nach der Wiedervereinigung erwarb Schering Jenapharm. Zunehmend wurden die Diskussionen vertrauensvoller, daeingemeinsameswissenschaftlichesInteressebestand. Die Hersteller waren natürlich an den Ergebnissen der OC Studien und an detaillierten Hintergründen interessiert und Heinemann orientierte sich über die Interessenslage einer Forschungsförderung. Die Kontakte nahmen zu, als etwa 1990 die Vorbereitung der großen WHO SHC & CVD Studie begannen, an denen Heinemann mit der Berliner Gruppe beteiligt war. Großes Interesse bestand an methodischen Details und den Möglichkeiten mit der Epidemiologie wirklich „kausale“ Aussagen näher zu kommen. Der Anfang der„Pillenkrise“ Seit etwa 1984, d.h. nach Abschluss der ersten WHO Studie zu OCs und Herzkreislauf, an der die Berliner Epidemiologengruppe unter Heinemann beteiligt war, gab es Diskussionen über eine methodisch verbesserte internationale Studie, die nach einer längeren Vorbereitungs- und Trainingsphase 1989 als „WHO CVD and SHC“ Studie begonnen und 1994 mit der Feldarbeit abgeschlossen wurde. 1995 erfolgte die Auswertung und Publikation zunächst zum venösen Thromboembolie- Risiko (VTE)= DVT & PE), ein Jahr später zu Herzinfarkt und Schlaganfall. 21 Zentren in Afrika, Asien, Europa, auch Ostdeutschland, und Lateinamerika hatten sich an dieser weltweiten Untersuchung beteiligt. Es wurde der Zusammenhang von Nutzung von kombinierten oralen Contazeptiva (OCs) zwischen 1143 Fällen (20-44 Jahre) und 2998 alters- matched Kontrollen ausgewertet. Die Risikoschätzer für OC-Nutzung im Vergleich zu Nichtnutzung zeigten ein erhöhtes Risiko bei Herzkreislauf-Ereignissen, die Bestätigung eines bekannten und erwarteten Befundes. Ganz vordergründig aber wurde als neue und bedeutsame Erkenntnis herausgestellt, dass das relative VTE Risiko (OR) von OCs der“dritten Generation”(=neuere Pillen) im Vergleich zur älteren Pillengeneration (zweite Generation) über doppelt so hoch sei. Deshalb wurde die Publikation dieses medienträchtigen Ergebnisses auch in Hast vorgezogen. SchonbeiderManuskripterarbeitungbzw.Überarbeitung hat Heinemann als Deutscher Studienleiter Protest gegen die tendenziöse Darstellung sowie die Unterbewertung der möglichen Studien-immanenten Verzerrungen protestiert. Vom WHO-Autorenteam wurden seine wesentlichen Einwände nicht akzeptiert, jedoch unbedeutende Änderungsvorschläge ins Manuskript übernommen.DasresultiertesofortnachdemErscheinen der WHO-Publikation in einer internationalen Debatte, zumal wenig später die vorzeitig abgebrochene und ausgewertete „Transnational OC Study“, die speziell den neueren OCs gewidmet war, mit anderer Interpretation veröffentlicht wurde. VorAbschlussderWHOStudiewaren1992experimentelle Untersuchungsergebnisse von Kuhl publiziert worden, dass OCs der 3. Generation, speziell mit Desogestrel als Gestagen zu unerwartet hohen Estrogen-Blutspiegeln führeunddamiteinerhöhtesThrombose-Risikoerwarten ließe. Das ZEG (Heinemann) wurde zur vertraulichen Begutachtung gebeten. Daraus ergaben sich schnell weitergehende Aktivitäten, zumal die Deutsche Arzneimittelbehörde Aufklärung von den Herstellern solcher Produkte (Organon, Schering, Wyeth) forderte. Bald war ein Stufenplanverfahren im Gespräch, obwohl die Firmen damit argumentierten, dass es keinerlei Signale in der Spontanberichterstattung gäbe und eine eiligst durchgeführte Anwendungsbeobachtungsstudie auch keine auffälligen Befunde gezeigt hätte. Prof. Spitzer von der McGill Universität in Montreal (CAN) wurde mit der Handhabung der wissenschaftlichen Bewertung dieses Befundes beauftragt. Ein Krisentreffen bekannter Epidemiologen und Pharmakologen wurde in Montreal zusammen gerufen, Heinemann vom ZEG gehörte dazu. Die Experten kamen zu der Meinung, dass die experimentellenUntersuchungenvonKuhlfehlerbehaftet waren und die Ergebnisse durch andere Untersucher nicht bestätigt werden konnten. Dennoch wurde der Vorschlag gemacht, die geäußerte Hypothese, dass die OCsmitGestagenendersogenanntendrittenGeneration (neben Desogestrel auch Gestoden) ein höheres VTE Risiko haben könnten, auch wenn die experimentelle Basis für diese These von den Experten zurückgewiesen wurde, durch eine epidemiologische Untersuchung bewerten zu lassen. AusderDebatteumexperimentelleErgebnisseergabsich die Vorbereitung der bis dahin größten internationalen F/K Studie zu Herzkreislauf-Nebenwirkungen der neuesten Generation von hormonalen Kontrazeptiva in Europa, die mit einer Pilotphase 1992 begann und bis Mitte 1996 andauerte und letztlich unter dem Namen

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