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ZEG_Chronicle

62 7. Der protrahierte Zusammenbruch der Epidemiologie in Ostdeutschland und der Neustart im Zentrum für Epidemiologie und Gesundheitsforschung (ZEG) Berlin Im Rahmen der Wiedervereinigung gab es eine generelle Bewertung der Forschungslandschaft in Ostdeutschland von den verantwortlichen Westdeutschen Gremien. Eine große Rolle spielte das übertriebene Misstrauen einer zu großen „Staatsnähe“ international ausgewiesener Wissenschaftler und vor allem mangelnder Information über Entwicklungen in der Vergangenheit. Daneben kann vermutet werden, dass auch falsch verstandener wissenschaftlicher Wettbewerb dazu führen sollte, Konkurrenten zu behindern. Bei der Zusammenstellung dieser Entwicklung kann man zu folgendem Bild kommen: In Ostdeutschland hatte sich die Epidemiologie chro- nischer, nichtübertragbarer Krankheiten (Herz-kreislauf, Diabetes, Krebs) etwa 2 Jahrzehnte früher auf einem international vergleichbaren Stand entwickelt (1960er Jahre im Osten vs. 1980er Jahre imWesten Deutschlands). Die in diesem Prozess wissenschaftlich führenden Personen Ostdeutschlands waren oder sind alle mit der Entstehung bzw. Entwicklung des ZEG direkt verknüpft: LotharHeinemannundSiegfriedBöthigwarendiebeiden persönlichen Gründungsväter des ZEG, d.h. zusammen mit Infratest München als institutionellem Mitgründer. WolfgangBarthwarindirekterZEGMitarbeiterfastseitden ersten Tagen nach der Gründung. Dorothea Eisenblätter, zum Zeitpunkt der Gründung bereits invalidisiert, wirkte als Freie Mitarbeiterin im ZEG. Nur Ingrid Martin war mittlerweile Chef der WHO-Abteilung für HKK in Genf und konnte nur moralische Unterstützung bieten. AlleanderenErfahrungsträgerausdenepidemiologischen Projekten oder Präventions-Modell-Regionen mit ent- sprechendem methodischen Wissen/Erfahrungen mussten sich als Kassenärzte niederlassen oder sich anderweitig neu orientieren. Erfahrungen in der deskriptiven, analytischen Epi- demiologie wie auch mit präventiven bevölkerungs- bezogenen Programmen, wurden seit 1968 bis Grün- dung des ZEG 1990 stetig erweitert. Das wurde auch unterstützt durch ein großes Netzwerk international bekannter Epidemiologen. Dazu hatten, neben der wissenschaftlichen Publikationstätigkeit, maßgeblich auch leitende Tätigkeiten der ZEG Gründer/Mitarbeiter in internationalen Gremien und wissenschaftlichen Gesellschaften beigetragen. Siegfried Böthig war 4 Jahre Chef der Herzkreislauf-Abteilung im WHO-HQ Genf, Lothar Heinemann war einige Jahre als Vice-Chairman der Working Group of Epidemiology and Prevention of the European Society of Cardiology (ESC), Member of the Scientific Committee of the European Society of CardiologysowieMemberofthe„CouncilofEpidemiology and Prevention“ of the International Society and Federation of Cardiology (ISFC, USA) wirksam. Man braucht sich nicht zu verbiegen, um behaupten zu können: Fast 30-jährige Erfahrung in der (inter-) nationalen Arbeit mit Epidemiologie und Prävention haben sich in der Gründung des ZEG kondensiert, wenn auch ungewollt und politisch erzwungen. Leider musste die Arbeit mit deskriptiver HK-Epidemiologie später wegen unzureichender staatlicher Förderung für dieses Gebiet im neuen Deutschland weitgehend in den Hintergrund gerückt werden. Die Langzeitprojekte zur Prävention chronischer Krankheiten brachen nach der Wiedervereinigung alle ab. Hier gab es sicherlich auch einen gesellschaftspolitischen Hintergrund. Ein dirigistischer Eingriff in die demokratische Freiheit des Verhaltens und damit auch des Rechts chronisch krank werden zu können, war im neuen Deutschland schwer vermittelbar. Es sei auf die Analogie zu den Infektionskrankheiten hingewiesen, wo diese realisierte „persönliche Freiheit“ zu einem schlechten Impfschutz der Bevölkerung für einige Krankheiten geführt hatte. Folgerichtig gab es später auch in Ostdeutschland, obwohl die Immunisierungs-Compliance immer etwas besser war, wieder Masern, Diphtherie, aber auch Polio undTBC-allesimNamenfalschverstandenerpersönlicher Freiheit. Die Entwicklung der HKK – Epidemiologie in Ostdeutschland unmittelbar vor der Wiedervereinigung (1989/1990) Die Monate vor der unerwarteten politischen Wende in Ostdeutschland waren durch die kontinuierliche Weiterentwicklung von Aktivitäten der Herzkreislauf- Epidemiologie charakterisiert. Die Aktivitäten zur Förderung der präventiven Maß- nahmen in der Bevölkerung der CANON-Kreise liefen auf Hochtouren, d.h. einschließlich der Dokumentation dessen, was geleistet und bisher erreicht worden war. Dazu gab es mehrere Beratungen des CANON-Steering- Komitees und überschneidend damit mit den regionalen MONICA-Zentren, d.h. einschließlich Training und Qualitätsbeurteilung. Da bevölkerungsbezogene Präventionsprojekte zum Schwerpunkt der Arbeit ostdeutscher Epidemiologen gehörten (Schleiz/Dippoldiswalde, CANON-Projekt), war in Zusammenarbeit mit dem CINDI Programm der WHO eine Teilnahme von Barth an den CINDI- Meetings in Bregenz (1988), Pecs (1990) und in Toronto (1990) eine wichtige Aktivität, da niemand den Zusammenbruch von HKK Präventions-Projekten im Rahmen der

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